Community-basierte partizipative Forschung (CBPR)

Im Unterschied zu anderen partizipativen Forschungsansätzen, sieht die Community-basierte partizipative Forschung (CBPR) vor, Communities mit forschungsrelevanten Erfahrungen und - je nach Studiendesign - auch die Praxis möglichst am gesamten Forschungsprozess zu beteiligen. Beteiligung ist an der Entwicklung der Forschungsfragen, der Datenerhebung und -analyse sowie der Interpretation und Verwertung der Forschungsergebnisse vorgesehen. Ziel ist es hierbei, gemeinsam neues Wissen zu kreieren, die Ermächtigung aller Beteiligten zu fördern und Handlungsstrategien zur Verbesserung der sozialen Lage beteiligter Communities zu entwickeln. Die methodologischen Prinzipien von CBPR beinhalten eine explizite Aufforderung, Machtaspekte und Benachteiligung im Hinblick auf verschiedene Dimensionen (inklusive race) in jeder Forschungsphase kritisch zu reflektieren. CBPR nimmt somit den Forschungsprozess selbst in den Blick, da Rassismen und andere Prozesse die gesellschaftliche Ungleichheit verursachen, auch in der Zusammenarbeit während des Forschungsprozesses reproduziert werden können. 

CBPR in Kürze

  • Die gemeinsam erarbeiteten Forschungsfragen greifen reale Anliegen auf; 
  • Die für Forschungsprozesse grundlegenden Voraussetzungen des informierten Einverständnisses und Risiko/Nutzen-Abwägungen sind verbessert; sie finden nicht nur auf individueller, sondern auch auf kollektiver Ebene statt; 
  • Die Qualität der Forschung wird verbessert: lebensweltliche Expertise, verbesserter Zugang zum Feld, verbesserte Erhebungsinstrumente (Es werden bspw. Interview-Leitfäden für Fragebögen durch Community-Beteiligung bei der Entwicklung und Erprobung verbessert.) 
  • Forschungsergebnisse können zutreffender und kontext-/diversitätssensibler interpretiert werden; 
  • Es werden relevante Handlungsempfehlungen entwickelt, somit entfalten die Forschungsergebnisse eine Wirkung über die Forschung hinaus. 

Weitere Fragen zum Forschungszugang

CBPR ist voraussetzungsvoll und zeitaufwendig.  Partnerschaften müssen über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden, um Vertrauen und Verständigung zu ermöglichen und die benötigten Kompetenzen bei allen Beteiligten zu entwickeln. Wissenschaftler*innen sind beispielsweise nicht immer ohne zusätzliches Training in der Lage, partnerschaftlich mit Community-Partner*innen zu arbeiten. Community-Partner*innen sind auch nicht ohne Training in der Lage, als Co-Forschenden an der Wissensproduktion mitzuwirken.  

CBPR bringt in der Regel sehr unterschiedliche Partner*innen zusammen: Repräsentant*innen aus Communities, die strukturell benachteiligt sind, und Partner*innen, die stärker privilegiert sind (wie in der Regel die beteiligten Wissenschaftler*innen). Die strukturellen Voraussetzungen für eine Teilhabe sind in der Regel ungleich verteilt – dies bedarf der aktiven Steuerung und kritischen Reflexion, um die Zusammenarbeit so gleichberechtigt wie möglich zu gestalten. Zudem werden generell mehr Ressourcen gebraucht, um die Beteiligung benachteiligter Communities zu ermöglichen.  

Auch aus methodischer und forschungspraktischer Sicht kann es Einschränkungen geben. Durch die Wahl der Co-Forschende und Studienteilnehmer*innen werden Weichenstellungen vorgenommen, die den weiteren Studienverlauf positiv aber auch negativ beeinflussen können. So geben die Akteur*innen Einblicke in Lebenswelten und Deutungen die nur auf diese Weise möglich werden, aber es entstehen auch blinde Flecken. Es werden also bestimmte Zugänge eröffnet und andere verschlossen. 

Eine weitere Herausforderung stellt die eingeschränkte Möglichkeit zur Theoriebildung dar. Theoriebildung ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, im Gegenteil, sie wird immer wieder eingefordert und teilweise auch realisiert. Allerdings ist die Entwicklung von Theorie in CBPR meistens nicht die oberste Priorität, und kann daher in der Umsetzung zu kurz kommen. 

Ansprechpartner*innen

Foto von Tanja Gangarova

Tanja Gangarova

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Abteilung Integration

Ausgewählte Literatur

  • Von Unger, H. (2014). Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS.