Kreative und kunstbasierte Forschungsmethoden

Inzwischen werden immer häufiger kreative und kunstbasierte Forschungsverfahren eingesetzt. Ziel ist es, Studienteilnehmer*innen noch stärker in den Forschungsprozess einzubinden, als dies mit klassischen Instrumenten wie Beobachtung, Dokumentation und Befragung möglich ist. Anwendung finden sie besonders in der partizipativen Forschung mit strukturell stark benachteiligten und/oder stigmatisierten Communities.

Die Methode in Kürze

Kunstbasierte Forschungsmethoden stellen ein weites Feld dar. Darunter können viele Kunstformen, Genres und Praktiken zusammengefasst werden: visuelle Kunst (Fotografie, Zeichnung, Collagen), audiovisuelle Kunst (Film, Video), multimediale Formen (Graphic Novels) und performative Kunst (Poesie, Theater, Musik). Erzählerische und poetische Untersuchungen, kreatives Schreiben und Geschichtenerzählen können auch als kunstbasierte Methoden gefasst werden. Kunstbasierte Methoden können zudem multimethodische Formen umfassen, die zwei oder mehr Kunstformen kombinieren – zum Beispiel Photovoice (Fotografie und Storytelling). Kunstbasierte Methoden können in verschiedenen Forschungsphasen eingesetzt werden: als Bedarfserhebungsmethoden, als Datenerhebungsmethoden, in analytischen Prozessen und in der Interpretation und weiteren Verwertung der Forschungsergebnisse als kommunikative Elemente. 

Kunstbasierte Verfahren der Sozialforschung zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Teilnehmenden in stärkerem Maße an der Datenerhebung und Auswertung beteiligen, Prozesse der Selbst-Befähigung und Stärkung (Empowerment) unterstützen, und über den Erkenntnisgewinn hinaus einen praktischen Nutzen verfolgen. 

Weitere Fragen zur Methode

Nicht alle kunstbasierten Forschungsverfahren sind für alle Gemeinschaften und für alle Zwecke gleich gut geeignet. Es gilt, dass jeweils passende Verfahren zu finden. 

Besondere Herausforderungen bestehen in der Durchführung von kunstbasierten Methoden mit vulnerablen Gruppen (z. B. Geflüchtete, Menschen ohne Papiere), zu sensiblen Themen (z. B. Sexualität, Gewalt, etc.) und in kriminalisierten Settings oder geschlossenen Institutionen (z.B. Haftanstalten). All das erfordert besondere Sorgfalt im Hinblick auf forschungsethische Reflexionen. 

Bei der Umsetzung von kunstbasierte Forschungsverfahren kommen oft sehr unterschiedliche Partner*innen zusammen: Mitglieder aus Communities, die sozial benachteiligt sind, sowie Forscher*innen und Mitarbeiter*innen der beteiligten Einrichtungen, die stärker privilegiert sind. Die strukturellen Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe am (Forschungs-) Projekt sind ungleich verteilt. Machtaspekte und Privilegien müssen daher in ihrer intersektionalen Verschränkung aktiv reflektiert werden, auch wenn die damit zusammenhängenden strukturell bedingten Ungleichheiten in der Projektzusammenarbeit grundsätzlich nicht ganz aufgehoben werden können. 

Die kollektive Kunstproduktion kann besondere ethische und datenschutzrechtliche Herausforderungen mit sich bringen. Konflikte können sich an Fragen wie „Wer spricht für wen?“ und „Wem gehören die Produkte bzw. die erhobenen Daten. Was tun, wenn Community-Partner*innen in Veröffentlichungen „Gesicht zeigen“ oder namentlich zitiert werden wollen? Welche Risiken sind hinnehmbar und welche nicht? Erforderlich sind daher immer wieder Reflexionsprozesse, ethisch fundierte Entscheidungen und Schutzvorkehrungen, um Risiken so weit wie möglich zu minimieren. 

Das Abbilden der eigenen Lebenswelt ist ein interpretativer Akt, der notwendigerweise eine Auswahl, Fokussierung und Deutung von sozialer Wirklichkeit beinhaltet. Es gilt immer zu fragen: Was wurde wie fotografiert, gefilmt oder gezeichnet und warum? Was wurde nicht fotografiert, gefilmt oder gezeichnet? 

Ansprechpartner*innen

Foto Tanja Gangarova

Tanja Gangarova

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Abteilung Integration &
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor

Ausgewählte Literatur