NaDiRa Lecture Series 2022: Vorurteilsforschung und Rassismusforschung – Ein Vergleich der Forschungsperspektiven
Wann? Donnerstag, 1. Dezember 2022, um 18 Uhr
Wo? Youtube-Livestream
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Sprecher*innen




Wie lässt sich Rassismus erforschen? Darauf geben rassismuskritische und sozialpsychologische Forschungslinien unterschiedliche methodische Antworten.
Die Vorurteilsforschung der Sozialpsychologie untersucht allgemeine psychologische Prozesse, die zu Kategorisierung, Stereotypisierung, Vorurteilen und Diskriminierung beitragen. Dabei fokussiert sie Wechselwirkungen zwischen Kontext und Individuum und liefert damit Erklärungsansätze für die individuellen psychologischen Mechanismen, die zur Entstehung und (Re-)Produktion von Rassismus in der Gesellschaft beitragen.
Die interdisziplinär denkende Tradition der Rassismusforschung setzt einen Fokus auf diskursive, institutionelle und strukturelle Ebenen, sowie auf Intersektionen verschiedener Rassismen. Letztere erklärt sie als historische und aktuelle gesellschaftliche Prozesse. Viele Ausprägungen und Interrelationen zwischen Rassismen können so nur mit der Expertise der betroffenen Communitys aufgedeckt werden. Sie möchte die Frage beantworten, wie sich antirassistische Einstellungen als Abweichung von der gesellschaftlichen Normalität herausbilden.
Wir wollen in dieser Lecture zwei unterschiedliche Forschungsansätze kennenlernen und diese in Beziehung zueinander setzen. Dadurch möchten wir die Berührungspunkte und Unterschiede in Theorie und Methoden herausarbeiten und diskutieren. Dabei gehen wir den Fragen nach, wie sich beide Traditionen ergänzen und (vermeintliche) Widersprüche zum Diskurs und Erkenntnisgewinn beitragen können. Zusätzlich möchten wir auch die ethischen Herausforderungen im Forschungsprozess beleuchten.
Prof. Dr. Juliane Degner, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Hamburg, forscht vor allem zu automatischen Prozessen der sozialen Wahrnehmung und Eindrucksbildung und welchen Einfluss soziale Kategorisierungsprozesse, Stereotype und Vorurteile darauf haben. Sie veröffentlichte zahlreiche Artikel in internationalen Fachzeitschriften und Sammelbänden, u.a. über Kategorisierungsprozesse und ihre Auswirkungen und Messung von Stereotypen und Vorurteilen mit (sozial-) psychologischen und kognitiven Methoden. Kürzlich veröffentlichte sie ihr Buch über "Vorurteile: Haben immer nur die anderen", in dem sie psychologische Prozesse erklärt, die zu Entstehung und Aufrechterhaltung von Stereotypen, Vorurteilen und soziale Diskriminierung beitragen.
Prof. Dr. Iman Attia, Professorin an der Alice Salomon Hochschule Berlin, forscht vor allem zu verschiedenen Aspekten von antimuslimischem Rassismus, in Relation zu anderen Formen von Rassismus und in Intersektion mit anderen gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Außerdem entwickelt sie mit wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich engagierten Personen und Communitys zusammen erinnerungspolitische Angebote aus den Perspektiven rrassifizierter und diasporischer Bewegungen, z.B. www.verwobenegeschichten.de. Letzte Buchpublikationen: "Muslimischsein im Sicherheitsdiskurs" (mit Keskinkilic und Okcu, 2021 bei Transcript) und "Unter Verdacht – Rassismuserfahrungen von Rom:nja und Sinti:zze in Deutschland" (mit Randjelović, Gerstenberger, Fernández Ortega und Kostič, 2022 bei Springer-VS).
Moderation: Dr. Cihan Sinanoglu ist Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Migrationssoziologie, Ethnizitätsforschung, politische Repräsentation und Partizipation, sowie Rassismusforschung.
Moderation: Dr. Stefanie Hechler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin Modul Experimente des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors. Sie hat Psychologie und Soziologie studiert und arbeitete zuvor als Sozialpsychologin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Konflikte innerhalb und zwischen Gruppen, darunter sozialer Einfluss, Vorurteile und Diskriminierung
Zum Einlesen
- Degner, J., Floether, J.-C., Essien, I. (2021). Do members of disadvantaged groups explain group status with group stereotypes? Frontiers in Psychology, 12, 750606. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.750606
- Attia, Iman/Keskinkilic, Ozan Zakariya/Okcu, Büsra (2021): Muslimischsein im Sicherheitsdiskurs. Eine rekonstruktive Studie über den Umgang mit dem Bedrohungsszenario. Bielefeld: Transcript.