Black Lives Matter in Europa
Protest gegen George Floyds Tod in Europa: Ausmaß, Lokalisierung und Resonanz antirassistischer Proteste in Deutschland, Dänemark, Italien und Polen im Vergleich
Das Projekt untersuchte die "Black Lives Matter"-Proteste (BLM) in Europa, die der gewaltsame Tod des Schwarzen US-Amerikaners in Minneapolis im Mai 2020 ausgelöst hat. Wir haben unter anderem analysiert, welchen Umfang und welche Formen die Proteste im Sommer 2020 in vier europäischen Ländern hatten, welche nationalen Unterschiede es auch hinsichtlich der thematischen Rahmung (Framing) gab und wie die Proteste in den nationalen öffentlichen Debatten rezipiert wurden.
Schlagworte
Black Lives Matter
Proteste
Europa
Autor*innen
Elias Steinhilper
Moritz Sommer
Sabrina Zajak
Folashade Ajayi
Noa Milman
Herbert Reiter
Donatella della Porta
Nicole Doerr, Piotr Kocyba
Piotr Płucienniczak
Anna Lavizzari
Kooperierende
DeZIM Institut
Scuola Normale Superiore
University of Copenhagen
Polish Academy of Sciences
Ergebnisse
In Deutschland, Italien und Dänemark mobilisierten die Black-Lives-Matter-Proteste (BLM) Zehntausende. Gemessen an der Bevölkerungsgröße fanden wir in Dänemark die höchste Mobilisierung in den vier untersuchten Ländern. In Polen kam es hingegen insbesondere im Vergleich zur Bevölkerungsgröße zu wenigen und zumeist kleinen BLM-Protesten.
In die Organisation der Demonstrationen waren viele junge Frauen involviert. In Deutschland, Italien und Dänemark bildeten zudem Schwarze Personen und andere People of Colour den organisatorischen Kern der Proteste. Und vielerorts politisierte der auf Video festgehaltene, gewaltsame Tod von George Floyd eine neue Generation von Aktivist*innen, die zuvor kaum politisch aktiv waren.
In Deutschland und Dänemark wurde bemerkenswert umfangreich über die Proteste berichtet. Darüber hinaus war die Berichterstattung überwiegend positiv und bot viel Raum für die Forderungen Schwarzer Aktivist*innen. In Italien war das mediale Echo etwas geringer und fokussierte stärker auf die Situation in den USA. Analog zu dem deutlich geringeren Mobilisierungsgrad stieß das Thema in Polen auch kaum auf mediale Resonanz.
Überraschende Einsichten
Trotz der beträchtlichen nationalen Unterschiede hat uns das starke transnationale Echo von Black Lives Matter überrascht. Schließlich fielen die Proteste in eine Zeit, in der die COVID-19-Pandemie die Nachrichten dominierte und die pandemiebedingten Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen Protest auf der Straße erheblich erschwerten. Insbesondere Italien war stark von der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr 2020 betroffen und zeigte dennoch eine starke, dezentrale Mobilisierung.
Bedeutung für die Praxis
Die Studie wirft einen ersten systematischen Blick auf das Ausmaß, die Resonanz und die Organisation der Black-Lives-Matter-Proteste in Europa. Die Ergebnisse unterstreichen die Rolle antirassistischer sozialer Bewegungen als Motor gesellschaftlichen Wandels. Die Proteste haben vielerorts die mediale Agenda und damit die Problemdeutung mitgeprägt. Teilweise konnten sie institutionellen Wandel anschieben oder beschleunigen.
Unsere Befunde geben zudem Einblick in die organisationalen Herausforderungen und Dynamiken antirassistischer Mobilisierung. Sie bieten somit Orientierungspunkte für Akteure aus Zivilgesellschaft, Politik und Medienöffentlichkeit im Themenfeld Antirassismus.
Publikationen & Präsentationen
N.Milman, F. Ajayi, D. della Porta, N. Doerr, P. Kocyba, A. Lavizzari, H. Reiter, P. Płucienniczak, M. Sommer, E. Steinhilper, S. Zajak: Black Lives Matter in Europe. Transnational diffusion, local translation and resonance of anti-racist protest in Germany, Italy, Denmark and Poland. DeZIM-Research Note 6 (2021), Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)
Ajayi, Folashade: Was haben die BLM-Proteste in Europa bewirkt? Vortrag bei DeZIM meets taz_talk #11, 08.02.21
Medienberichte
Andrea Dernbach: Der kurze Sommer von Black Lives Matter - und was von ihm bleibt. Tagesspiegel, 12.07.2021
Thembi Wolf: Diese Studie untersucht, was bei Black Lives Matter in Deutschland schief lief. vice, 06.07.2021
Hadija Haruna-Oelker: Es hört nicht auf. Frankfurter Rundschau, 18.07.2021